24.736 Neuerkrankungen und 264 Verstorbene; die Inzidenz beim Bund liegt bei 154,9.
Die Landrätin in der FAZ zur „Schuld der Migranten“ an der Verbreitung von Corona
In den Kliniken werden viele Menschen mit Migrationshintergrund behandelt. Eine Landrätin schlägt Alarm: Sie seien Treiber der Pandemie, weil sie die Regeln ignorierten. Forscher verweisen eher auf den schwierigen sozialen Hintergrund.
Das Städtchen Kirn, am Fuße des Hunsrücks gelegen, hat sich in den vergangenen Tagen zu einem Corona-Hotspot entwickelt. Bei etwa 700 lag die Inzidenz zuletzt. Mehrere Schulen sowie eine Kita mussten aufgrund von Covid-19-Ausbrüchen schließen. Im Zentrum stand dabei eine Baptistengemeinde, unter deren Mitgliedern viele Deutschrussen sind. Mindestens 25 von ihnen waren zuletzt infiziert. Insgesamt haben unter den Infizierten in Kirn sowie in der nahe gelegenen Stadt Bad Kreuznach nach Darstellung der Landrätin Bettina Dickes (CDU) rund drei Viertel einen Migrationshintergrund.
Seit langem wird über die Frage diskutiert, ob Menschen mit Migrationsgeschichte stärker von der Pandemie betroffen sind. Es gibt eine Reihe von Studien, die einen Zusammenhang zwischen dem sozialen Status und dem Risiko, an Covid-19 zu erkranken, belegen. In Amerika etwa sind Minderheiten wie Schwarze und Latinos besonders betroffen. In Deutschland ist die Lage etwas komplizierter, die Diskussion oft eher anekdotisch. Groß ist die Angst vor falschen Schlüssen, vor schlichter Stigmatisierung. Und oft ist nicht einmal klar, wer von den Betroffenen überhaupt einen Migrationshintergrund hat – denn auch dazu fehlen meist Daten. Sogar von einem „Tabuthema“ war die Rede. Dabei hatte schon im August vergangenen Jahres der Darmstädter Intensivmediziner Cihan Celik in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung darauf hingewiesen, dass viele seiner Patienten einen Migrationshintergrund hätten.
Außer dem Migrationshintergrund hätten viele eines gemeinsam, sagte er: dass sie aus sozioökonomisch schwachen Verhältnissen kämen, in prekären Verhältnissen arbeiteten oder in kleinen Wohnungen mit vielen anderen zusammenlebten. Auch die Sprache sei ein Problem. Und wenn man jetzt, in der dritten Welle, mit Ärzten spricht und in Kliniken nachfragt, wird oft wieder ein Zusammenhang zwischen Infektion und Armut beschrieben. Wo die Lebensumstände schwieriger sind, ist auch ein Schutz vor einer Infektion schwieriger. Alles ist miteinander verwoben. Aber was bedeutet das für den Kampf gegen die Pandemie?
Zusammenhang zwischen Infektion und Armut
Weil der Migrationshintergrund bei der Aufnahme von Patienten aus guten Gründen nicht erfasst wird, gibt es kaum zuverlässige Daten über die Ansteckungshäufigkeit und auch die Schwere des Verlaufs. Belegt ist, dass Menschen mit Migrationshintergrund häufiger schlecht bezahlte Jobs haben und auch als Pflege- oder Reinigungskräfte in Krankenhäusern einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind. Im vergangenen Herbst ging der Landrat des baden-württembergischen Landkreises Esslingen, Heinz Eininger (CDU), der Sache mal auf den Grund: Er ließ anhand der Vornamen von Personen, die sich mit Sars-CoV-2 infiziert hatten, ermitteln, wie hoch der Anteil der Infizierten mit Migrationshintergrund sein könnte.
Er schloss zum Beispiel aus dem Namen Zoltan auf eine Einwandererbiographie. Das ist natürlich dünnes Eis, auf das man sich da begibt. Das Ergebnis lautete: Während in der ersten Pandemie-Welle der Anteil der Infizierten mit Migrationshintergrund 14 Prozent betrug, lag er in der zweiten Welle Anfang Oktober bei 59 Prozent. In dem Landkreis haben Bürger aus Einwandererfamilien aber nur einen Anteil von 27 Prozent.
Woher kam die hohe Zahl der Infizierten? Eine Ursache für die hohe Zahl von Infizierten unter den Einwanderern war laut Eininger eine verfehlte Teststrategie für Reiserückkehrer. Beengte Wohn- und prekäre Arbeitsverhältnisse, mangelndes Sprach- und Wissenschaftsverständnis, soziale Benachteiligung und ein schlechterer Gesundheitsstatus könnten weitere Ursachen sein.
Milieus, die sich nicht an Vorgaben halten?
Landrätin Dickes aus der rheinland-pfälzischen Stadt Kirn weiß, welche Sprengkraft das Thema hat. Auch sie begibt sich auf dünnes Eis. Denn einen Migrationshintergrund macht auch sie allein an den Namen auf der Liste der Infizierten fest. Natürlich sei die Zahl daher eine Schätzung, sagt sie. Trotzdem: Der Zusammenhang zwischen Infektionen und Migrationsgeschichte sei „nicht wegzudiskutieren“. Aus ihrer Sicht ist der Hintergrund aber weniger sozioökonomischer Natur. Vielmehr gelte: Es gebe Milieus, die sich nicht an die Vorgaben hielten.
Der Landkreis habe die Regeln per Flyer verteilt, übersetzt in Dutzende Sprachen, auch Videos in den Herkunftssprachen seien gedreht worden. „Aber es werden die Regeln ignoriert, und wir bekommen oft die Kontaktdaten nicht“, sagt Dickes. Mitglieder der betroffenen Baptistengemeinde etwa hätten, anstatt Kontaktdaten herauszugeben, die Behördenmitarbeiter gefragt, ob diese von der Stasi seien. Zudem hätten Infizierte weiterhin Besuch empfangen und zusammen gesungen.
Öfter Opfer als Treiber der Pandemie
Andere widersprechen dem deutlich. Menschen mit Migrationshintergrund, das sagen viele Intensivmediziner und Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern, sind nicht Treiber der Pandemie, sondern Opfer schlechterer Lebensverhältnisse und mangelhafter Aufklärung. Matthias Wjst, Epidemiologe und Lungenforscher am Münchner Helmholtz-Zentrum, hält es inzwischen in internationalen und nationalen Studien für epidemiologisch sehr gut belegt, dass Einwanderer häufiger Opfer der Pandemie sind: „Wenn man das früher hätte wahrhaben wollen, hätte man einiges Unheil verhindern können“, sagt er.
„Dass Migranten häufiger und schwerer an Corona erkranken, liegt nicht an ihrem Verhalten. Die Ursache hierfür sind die schlechteren Wohnverhältnisse, die schlechteren Jobs und der schlechtere Informationsstand.“ In der ersten Welle der Pandemie sei es leider versäumt worden, die Daten der mit dem Virus Infizierten nach Berufsgruppen statistisch zu erfassen. Hätte man dies getan, hätte man früher handeln können. Auch eine interne, Ende 2020 vom Robert-Koch-Institut erstellte Simulation, die der F.A.Z. vorliegt, zeigt eindeutig, dass die Inzidenzen in Stadtkreisen mit einer hohen Zahl von Transfergeldempfängern und/oder Einwanderern höher sind.
Und auch im FOCUS wird die Landrätin zitiert:
Die Landrätin des Kreises Bad Kreuznach, Bettina Dickes (CDU), habe sich die Mühe gemacht und die Daten der deutschen Gesundheitsämter zu den Infektionsketten ausgewertet. Ihr Ergebnis:
In den beiden größeren Orten hier im Landkreis, Bad Kreuznach und Kirn, ist die Quote der mit CoronaInfizierten unter den Menschen mit Migrationshintergrund überproportional groß. Zwei Drittel bis drei Viertel der Infizierten dort haben einen Migrationshintergrund. Diese Aussagen sind nicht populär. Aber die Häufung von Corona-Fällen bei bestimmten Bevölkerungsgruppen muss angesprochen werden, damit man etwas dagegen tun kann.
Corona
Die Zahl der seit Auftreten des ersten nachgewiesenen Falles mit dem Coronavirus infizierter Personen im Landkreis Bad Kreuznach ist seit dem letzten Update (28.04.2021, 14.00 Uhr) um 50 gestiegen und liegt bei insgesamt 5365.
24 dieser Personen befinden sich in stationärer Behandlung.
Insgesamt sind bisher 130 mit dem Coronavirus infizierte Personen aus dem Landkreis Bad Kreuznach verstorben.
Aktuell stehen 618 Personen in der Betreuung der Corona-Stabsstelle.
Innerhalb der letzten 7 Tage wurden folgende Fallzahlen für die Stadt Bad Kreuznach gemeldet: 103.
Die Wocheninzidenz liegt innerhalb des Landkreises nach dem Rechenmodell des Landes bei 151,6.
Quelle: Kreisverwaltung